Die konservative Presse bejubelt in dieser Woche das Aus für Andrea Ypsilantis Versuch einer hessischen Minderheitsregierung. Wieder hat das mediale Linken-Mobbing Erfolg gehabt. Die Süddeutsche Zeitung schreibt z.B., dies sei „der Versuch gewesen, die Gesetze der Realität zugunsten eines Glaubens zu beugen. So etwas nennt man Verblendung.“ Ist das so? Oder wer ist hier verblendet?
Der Sinn des Lebens - aus Sicht von Politikern
Warum gehen Menschen in die Politik? Welchen Sinn hat ein politisches Leben, wenn nicht den, bestimmte Ziele zu verfolgen?
Im Koalitionsvertrag der SPD und Grünen in Hessen sind solche Ziele nachzulesen, wie z.B. die Abschaffung der Studiengebühren, das Angebot der Ganztagsbetreuung in Schulen, der Atomausstieg, der Ausbau erneuerbarer Energien, das Verbot genmanipulierten Saatguts, Nachtflugbegrenzungen am Frankfurter Flughafen, eine höhere Erbschaftssteuer und eine höhere Vermögenssteuer. Detailliert wird es bei Kleinigkeiten wie dem Baustop einzelner Landstraßen, betont schwammig bei Themen wie sozialer Gerechtigkeit und Arbeitslosigkeit. Fehlen darf auch niemals die Absichtserklärung, die Schulden abzubauen, und wie in allen Programmen der etablierten Parteien fehlen dazu konkrete Rechnungen.
Mit anderen Worten: Das Programm ist (wie auch auf Bundesebene) in allen wichtigen Punkten nahezu identisch mit dem der Linken. Ach Du Schreck!
Ein Mann im falschen Film und die drei Damen vom Grill
Der stellvertretende hessische SPD-Chef Jürgen Walter erklärte frühzeitig, daß die Ziele der hessischen SPD nicht seine Ziele seien. Walter ist eigentlich ein CDU/FDP-Anhänger, der noch nicht bemerkt hat, daß er im falschen Film ist.
Interessanter sind die anderen drei SPD-Abgeordneten Dagmar Metzger, Carmen Everts und Silke Tesch. Ihr bestechendes Argument: „Wir haben die gleichen Ziele wie die Linken, aber mit Schmuddelkindern spielen wir nicht. Stattdessen grillen wir jetzt die Karriere von
Andrea Ypsilanti.“
Minderheitsregierungen und das Problem des Fraktionszwangs
Minderheitsregierungen wären die ehrlichste aller Regierungen. Man stellt eine Gesetzesvorlage zur Abstimmung, und da gemäß
Art 38 GG und
Art. 72 der Hessischen Verfassung alle Abgeordneten frei abstimmen dürfen, sollten sich freie Mehrheiten bilden können. Freie CDU-Abgeordnete dürften gegen Studiengebühren stimmen, und Grüne gegen den Atomausstieg. Theoretisch. Das Problem liegt jedoch im verfassungswidrigen Fraktionszwang.
Fraktionschefs zwingen ihre Abgeordneten bei allen wichtigen Abstimmungen, immer gegen alles zu stimmen, was vom politischen Gegner kommt – und sei es noch so vernünftig. Die Linke demonstrierte dies eindrucksvoll im Juni 2007, als sie die SPD-Initiative zum Mindestlohn zur Abstimmung in den Bundestag einbrachte.
Die SPD lehnte ihren eigenen Entwurf ab – weil er von der Linken kam. SPD-Fraktionschef Struck begründete dies mit den Worten: „
Wir können nicht gegen unseren Koalitionspartner stimmen.“
Warum kann man das nicht? Darf Macht wichtiger sein als die eigene Identität? Warum dürfen Abgeordnete nicht einmal gemäß dem Programm ihrer eigenen Partei stimmen? Und warum ist der ständige - nicht ganz irrelevante – Verfassungsbruch per Fraktionszwang kein Thema in den Medien? Stellt der Fraktionszwang nicht die Legitimation sämtlicher Gesetze infrage?
Der Selbstmord der SPD
Gemeinsam mit der Linkspartei könnte eine rotgrüne Minderheitsregierung sowohl in Hessen als auch auf Bundesebene fast alle Ziele ihres Programms in Angriff nehmen. Mindestlohn, Atomausstieg, Abschaffung der Studiengebühren, Vermögenssteuer – bei all diesen Themen hätte die SPD den Wählern kommunizieren können: „Seht her: Kein großer Wurf, aber immerhin etwas haben wir erreicht.“ Dadurch bestünde die Chance, daß die Wähler Rotrotgrün als das geringere Übel gegenüber Schwarzgelb bewerten. Diese Chance haben „der Mann im falschen Film und die drei Damen vom Grill“ zerstört – und sind auch noch stolz darauf. Ihr Argument des „Wortbruchs“ relativiert sich, wenn man die zahllosen Wortbrüche aller etablierten Parteien auflistet. Daß die Große Koalition oder Schwarzgelb der mehrheitliche „Wählerwille“ seien, glaubt auch kein selbst denkender Mensch. Und daß sich nichts ändert, wenn die Linke mitregiert, sieht man an
deren Sozialabbau in der Koalition mit Klaus Wowereit.
Die vier SPD-Selbstmörder haben nun nicht nur ihre eigenen politischen Karrieren zerstört, sondern im Bewußtsein des Umfragetiefs der SPD auch noch wissen müssen, daß Hessen durch die wahrscheinlichen Neuwahlen schwarzgelb regiert werden wird.
Die SPD wird 2009 aller Voraussicht nach noch schlechter als 2005 abschneiden und in der Großen Koalition unter der Knute der Union weitere Tiefen ausloten, denn eine SPD, die (ebenso wie die Grünen) mit der Agenda 2010 ihre Identität aufgegeben hat, braucht nun wirklich niemand.
Gruss
Tom
Bin voll Eurer Meinung!
Gruß.
Finche.
Chapeau! ("Hut ab!")
Kleine Anmerkung:
Das Ende der Ernsthaftigkeit des Vertretens linker Ideale begann für mich bzgl. der SPD mit der faktischen Abschaffung des Asylrechts 1993, bei den Grünen 1998/99 mit Kosovo-Lüge und dem vergeigten Atomausstieg (eigentlich konnte schon der Ausstieg von Jutta Dittfurth zu denken geben...).
Der Hinweis auf Berlin passend und konsequent, sieht i. Ü. m. W. die Mehrheit der Linkspartei genau so.
MfG
N. Arndt
Bezirksrat Nordstadt (331) für die Linke. BS
Aber schön das dir/euch der Beitrag von Jörg gefällt!
Ich halte Clement für den Drahtzieher, ansonsten ist die SDP gegesssen. Nicht umsonst sind so viele von Brak Obama begeistert, der würde hier 55 % bekommen, und die SPD mit Steinmeier 4,5 %.
Mobbing ist in Deutschland heute das Sumpfgebiet Nummer 1
Ich meine das unabhängig von der Frage bewertet, auf wessen Seite man selbst politisch steht - es will ja schließlich niemand behaupten, dass es ein objektives Kriterium für MOBBING ist, dass das Opfer politisch links der Täter steht.